Corona ist das alles beherrschende Thema. Aber schon bevor von einer Pandemie überhaupt die Rede sein konnte, überschlugen sich die Schlagzeilen. Warum? Bei Reiner Wein spricht der Publizist Walter van Rossum über sein Buch “Meine Pandemie mit Professor Drosten”, über den Hype um das Virus, eine aus dem Ruder gelaufene Berichterstattung und den Aufstieg eines Virologen zum Medienstar und Stichwortgeber der Politik.
„Medien sind megageil auf solche Seuchen!“
Das Buch von Walter van Rossum ist nicht nur eine Roadmap durch die Corona-Krise, sondern eine Barrikade gegen die Übermacht der medial verordneten öffentlichen Meinung. Die stand praktisch vom ersten Tag an fest: Corona ist die Apokalypse, der Weltuntergang, der Blick in die Hölle, wie ihn ein Dante Alighieri nicht hätte besser beschreiben können.
Alle anderen Themen sind in den Hintergrund gerückt: Klimakrise, Weltwirtschaftskrise, die soziale Ungleichheit, Revolten, Massenstreiks oder der Hungertod im globalen Süden werden überlagert von der Berichterstattung über Corona. Kritische Stimmen, die vor allem die Folgen der Maßnahmen infrage stellen, die eine Verbreitung des Virus unterbinden sollen, gab und gibt es, aber Gehör finden sie kaum. Das Narrativ steht wie eine Mauer aus Stahlbeton. Die Beeinflussung ist gewaltig, die Eindimensionalität offensichtlich. Walter van Rossum spricht von Manipulation. Schon in der Einleitung seines Buches zitiert er Edward Louis Bernays, den Begründer der modernen Theorie der Propaganda:
“Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Verstand geformt, unsere Geschmäcker gebildet, unsere Ideen größtenteils von Männern suggeriert, von denen wir nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art, wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist.” (in: Meine Pandemie mit Professor Drosten, S. 12; aus: “Propaganda” von Edward Louis Bernays, 1928).
Beim Podcast Reiner Wein geht Van Rossum, der selbst seit den frühen 1980er-Jahren für Zeitungen und Fernsehanstalten tätig ist, mit dem Journalismus scharf ins Gericht. “Früher wurde in den Sendern diskutiert, die Leute widersprachen sich gegenseitig. Heute ist alles auf Linie gebracht”, sagt Van Rossum. Mit Blick auf Corona erinnert er an die Schweine- und Vogelgrippe. “Medien sind mega-geil auf solche Seuchen”, sagt er.
Die Jagd nach der Schlagzeile und der Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten wird zum Problem. “Man muss noch einmal daran erinnern”, sagt Van Rossum, “die Medien sind zu einem Zeitpunkt groß eingestiegen, die öffentlich-rechtlichen zum Beispiel, da gab es in der Welt nur 300 Fälle und 2 oder 3 Tote. Die haben sozusagen der Pandemie den rötesten aller Teppiche ausgewalzt und den konnte man dann betreten.”
Die Allianz
Dann kommt der Virologe Christian Drosten ins Spiel. Der NDR geht ab etwa Ende Februar 2020 praktisch täglich mit Drosten auf Sendung. Der Virologe wird zum Medienstar. Als die Politik den Pandemiekrieg ausruft, passt er sich an. “Die ganze Ratlosigkeit der Expertise, die kann man bei Drosten Punkt für Punkt nachlesen”, sagt Van Rossum. “Er ändert ständig seine Meinung. Er spricht in Konjunktiven und irgendwann ist diese Pandemie eine Realität und er schlägt sich auf die Seite der Fundamentalisten”.
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Die Suche nach der Krankheit mittels PCR-Tests rückt ins Zentrum der Kritik. Van Rossum: “Wir haben es nicht mit Kranken zu tun, sondern mit Test-Kranken.” Politik und Medien haben ihren Blickwinkel auf die Infektionszahlen verengt, betonen das Leid vor dem Tod und beschwören Impfstoffe als Lösung. Die Pharmaindustrie, auf die nun alle Hoffnungen gesetzt wird, kann sich auf ein (nicht unbedingt unerwartetes) lukratives Geschäft einstellen. In “Meine Pandemie mit Professor Drosten” schreibt Walter van Russom mit Bezug auf einen 2010 im Spiegel veröffentlichten Artikel:
“Eine prächtig zusammenarbeitende Allianz aus Infektionsschützern, Impfstoffherstellern und Medien habe die Welt bereits seit Jahren auf verheerende Seuchenkatastrophen eingestimmt und lauere geradezu auf einen Ausbruch. Besonders den Influenzaviren gelte ihre Aufmerksamkeit. Doch wie war es denn 2017/18? Keiner der Weltvirenschützer hat angesichts einer schlimmen Epidemie die Gefahrenflaggen gehisst, kein Glöckchen hat gebimmelt.”
Was hat Drosten damit zu tun? “An seinem Beispiel kann man eigentlich sehr gut zeigen, was das alles taugt, was da als Wissenschaft verkauft wird und als Expertise und bei uns ankommt als Order, als Befehl. Und wie ich finde, mit Konsequenzen, die vollkommen erschreckend sind. Und die trägt er mittlerweile ja voll mit.”
Folgt man den Recherchen von Van Rossum und den in seinem Buch dargelegten Zusammenhängen, kann man sich kaum des Eindrucks erwehren, das Corona ohne Not medial zu einem Großereignis aufgebläht wurde, mit der Konsequenz, sich nun gesellschaftlich und politisch in einer Sackgasse zu befinden. Wie könnte man aus der Nummer rauskommen oder ist jeder Notausgang versperrt? Eine Antwort gibt Walter van Rossum bei Reiner Wein.
Über unseren Gast
Walter van Rossum ist Autor, Medienkritiker und Investigativjournalist. Er studierte Romanistik, Philosophie und Geschichte in Köln und Paris. Mit einer Arbeit über Jean-Paul Sartre wurde er 1989 an der Kölner Universität promoviert. Seit 1981 arbeitet er als freier Autor für WDR, Deutschlandfunk, Zeit, Merkur, FAZ, FR und Freitag. Für den WDR moderierte er unter anderem die “Funkhausgespräche”. Sein aktuelles Buch: “Meine Pandemie mit Professor Drosten: Vom Tod der Aufklärung unter Laborbedingungen” (Rubikon-Verlag).
Fotos und Audio: Reiner Wein, Idealism Prevails, Walter van Rossum und Buchkomplizen
Sehr guter Podcast, der kritisch ist, Fakten nennt und den Finger in die Wunden legt; PCR Test, Infektionszahlensalat, Panikjournalismus.